Können Mutterkühe mit einem Spurenelement-Bolus ihr Potential besser ausschöpfen?

Interview mit Prof. Heiko Scholz vom November 2021


Initiator des Projekts rund um die Spurenelement-Versorgung von Mutterkühen: Prof. Dr. Heiko Scholz, Hochschule Anhalt (tätig im Lehrgebiet Tier-produktion und Ökonomik in der Tierproduktion)

Herr Prof. Scholz, wie kam es zu dem Projekt?
Der Anstoß für das Projekt kam von den Mutterkuhbetrieben selbst, weil es aktuell keine Anhaltspunkte gibt, mit welchen Methoden man relativ einfach die Versorgung der Mutterkühe mit Spurenelementen ermitteln kann. Auch brauchen wir Referenzwerte, um den Versorgungszustand ermitteln zu können. Die Werte von Milchkühen können wir nicht nehmen, denn diese sind häufig überversorgt. In Absprache mit Prof. Dr. Rudolf Staufenbiel, Freie Universität Berlin, haben wir dann das Projekt initiiert, welches bisher weitestgehend von den Betrieben selbst und von den teilnehmenden Hochschulen finanziert wird.

Wie viele Mutterkuhbetriebe nehmen teil?
Es sind 10 Betriebe mit insgesamt 12 Herden. Sie befinden sich nördlich von Berlin bis nach Bayern. Jeder Betrieb ist allerdings anders aufgestellt, die einen füttern Mineralfutter zu, die anderen wie z.B. der Brockenbauer nicht. Ziel des Projektes ist es zu ermitteln, ob das, was die Mutterkuhhalter ihren Tieren füttern, die Tiere auch wirklich gut versorgt. Das wollen wir mithilfe von regelmäßiger Probennahme aus der Leber mittels Biopsie im Frühjahr und Herbst sowie über den Sommer mit monatlichen Kot- und Futterproben herausbekommen.

Nutzen alle Betriebe den Bolus?
Nein, einige nutzen Mineralfutter oder Leckmassen. Familie Thielecke hat sich bisher für die Boli zusätzlich zu den bestehenden Lecksteinen entschieden. Es war so, dass wir im Herbst 2020 alle Betriebe beprobt und dabei festgestellt haben, dass die Mutterkühe in einigen Betrieben, und dazu zählte auch Tanne, hinsichtlich Selen einen ganz leeren Leberspeicher hatten. Bei der Frühjahrsbeprobung ergab sich dasselbe Bild, weil zumindest in Tanne ja kein Mineralfutter zugefüttert wird. In anderen Betrieben füllen sich im Winter die Leberspeicher an Selen wieder auf, weil die Kühe im Stall angereichertes Futter bekommen. Um sofort Abhilfe zu schaffen, kamen wir auf die Idee mit den Spurenelement-Boli, denn die Leckmassen hatten ja offensichtlich nicht genügend gewirkt. Wir nahmen eine Weidegruppe, versorgten die Hälfte der Tiere mit Boli, die andere Hälfte blieb unbehandelt.

Gibt es schon erste Ergebnisse?
Die ersten Ergebnisse der Untersuchung ergeben deutliche Unterschiede im Gehalt von Selen und Kupfer im Kot der Versuchsgruppe. Die Gehalte im Kot der Boli-Kühe sind deutlich höher als die von den Kühen ohne Boli. Und das beim gleichen Weidefutter und dem gleichen Leckstein. Man sieht den Effekt der Boli also deutlich. Uns fehlen nun noch die Werte der Leberbiopsie, diese werden im Winter kommen.
Interessant dabei ist, dass die Kühe keine deutlich sichtbaren Mangelsymptome zeigen. Offenbar kommen die Kühe soweit klar, können aber ihr Potential nicht voll ausschöpfen. Doch ein Problem ist es trotzdem, man merkt den Mangel spätestens bei der Leistung der Kälber. Ich vermute ganz stark, dass die Kälber der Boli-Kühe stärker zunehmen im Vergleich zu den Kälbern der Kontrollgruppe. Diese Werte kommen noch, dann können wir das genau auswerten.

Welche zusätzlichen Erkenntnisse könnte das Projekt bieten?
Wir streben an, Referenzwerte zur Versorgung der Mutterkühe mit Spurenelementen zu bekommen, um den Mutterkuhhaltern Handlungsempfehlungen geben zu können. Wir wollen dies über Kotproben erreichen, denn das ist die einfachste Möglichkeit. Kotproben können einfach gesammelt und verschickt werden, so könnten wir schnell und zuverlässig eine Aussage zur Spurenelementversorgung treffen. Eine Endoparasitenanalyse ist auch zeitgleich möglich. Die Wirkung des Bolus in der extensiv gehaltenen Herde interessiert uns jetzt auch. Einige der anderen Betriebe aus dem Projekt haben diese ersten Ergebnisse mit Interesse verfolgt und wollen im nächsten Jahr auch die Spurenelement-Boli in ihren Herden einsetzen. Die Investition in die Tiergesundheit ist es ihnen wert.

Prof. Scholz, vielen Dank für das Gespräch!


Landwirtin Julia Thielecke                                                                                                               Höhenvieh vor Harzkulisse






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